Menschen, die in einer religiösen Sondergemeinschaft aufwachsen – womöglich noch mit Exklusivitätsanspruch und Endzeitvisionen – und sich irgendwann daraus lösen, haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die sich anderen Menschen kaum vermitteln lassen. Wie soll man auch jemandem beschreiben, wie die Isolation sich anfühlt, nachdem die Gemeinschaft weggebrochen ist? Die bange Frage: was ist, wenn sie doch Recht haben? Wem soll man vom Gefühl, aus Gottes Gnade und Liebe gefallen zu sein, erzählen in einer Welt, die Religion größtenteils nur vom Hörensagen kennt? Wer glaubt einem schon, dass man sich nicht einmal sicher ist, ob man noch einen Anspruch auf Glück und Freude haben darf?
Man sagt sich jeden Tag: ich wurde manipuliert – und trotzdem fragt man sich bei jedem schlimmen Lebensereignis: war es vielleicht doch eine Strafe? Oder ein Zeichen dafür, dass ich auf dem falschen Weg bin – ja vielleicht sogar die schlimmste aller Sünden auf mich geladen habe, indem ich mich vom einzig richtigen, wahren Weg abgewendet habe?
Der Weg zu Unabhängigkeit und Selbstliebe kann lang und schmerzvoll sein, dennoch würde ich ihn nie wieder zurück gehen. Aber Hilfe gibt es, und die darf und sollte sich jeder holen, der in einer solchen Situation ist: bei Freunden und Therapeuten, bei Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen, die sich auskennen. Denn: egal, wie isoliert du dich fühlst – du bist nicht alleine.