steckenbleiben

Mann steht in einem Aufzug, sieht sein Spiegelbild an.

1

 

Der Aufzug bleibt stehen. Irgendwo zwischen dem 3. Und 4. Stock. »Na toll«, sage ich und starre den Typen gegenüber an. Er starrt zurück.

 

 

2

 

Typen, die einen im Aufzug anstarren, kann ich nicht leiden. Typen, die einen im steckengebliebenen Aufzug anstarren, gehen darüber hinaus. Was wird das?, denke ich, und: Rasier dich mal!

 

 

3

 

Ich zucke die Schultern, sehe auf die Anzeige. Keine Veränderung. Wenn es ein Film wäre, würde man jetzt ein Herz schlagen hören. Bummbumm – bummbumm. Jemand lockert seine Krawatte. Schweißtropfen stehen auf Stirnen. Bummbumm. Ein Feuer breitet sich aus.

 

 4

 

Der Typ starrt immer noch. Ich lächle unbehaglich. Er lächelt zurück. Wir drücken gleichzeitig den Alarmknopf.

 

 

5

 

Es knackt.

»Ja?« Die Stimme ist gelangweilt.

»Wir hängen zwischen dem 3. Und 4. fest«, sage ich.

»Gebäude?« fragt die gelangweilte Stimme.

 

 

6

 

»Richard-Wagner-Straße 113«, sage ich.

»Moment.«

Aus dem Lautsprecher kommen undefinierbare Geräusche. Ich fahre mir durch die Haare. Der Typ gegenüber tut es mir nach. Der nervt. Was hat der überhaupt für eine Allerweltsvisage?

 

 

7

 

»Hören Sie?«, sagt die Stimme. »Da haben wir gerade erst jemanden hingeschickt.«

»Ich weiß.«

Ich bilde mir ein, die Fragezeichen bis hierher zu hören.

 

 

 

8

 

»Mich«, sage ich, »mich hast du hergeschickt.«

»Achim?«

»Wer sonst? Eigentlich hat alles funktioniert. War nur ne Probefahrt.«

»Und jetzt steckst du fest?«

»Hör auf zu lachen. Ich hab meine Tasche unten vergessen.«

 

 

9

 

»Ich schick dir jemanden.«

»Danke.«

Ich setze mich auf den Aufzugboden. Zwanzig Minuten, denke ich. So lang wird es mindestens dauern. Zwanzig Minuten Ruhe. Zwanzig Minuten, in denen ich nichts zu tun habe, als den Typen gegenüber anzustarren.

 

 

10

 

Der hat sich ebenfalls hingesetzt. Wir strecken die Beine aus. Unsere Fußsohlen berühren sich.

»Tja«, sage ich und lächle dem Typen im Spiegel zu. Er lächelt zurück. Wir fahren uns durch unser Allerweltsgesicht.

 

 

©Angela Mohr, 2025